Aventinus-Medaille für Johannes Molitor auf der JHV 2018
Der Donau-Anzeiger berichtet unterm 26.05.2018:
Eine Veranstaltung der Superlative
Jahreshauptversammlung des Geschichtsvereins in Niederalteich birst aus allen Nähten
Dass der Superlativ als rhetorische Form nicht gut sei, weil ein Gedanke eben einfach und wahr ausgedrückt werden müsse, das wusste schon Ludwig Thoma selig, der als satirischer Erfinder der „Tante Frieda“ sowie nicht minder als Korrespondenzpartner des Deggendorfer Stadtarchivars Josef Zierer (1857–1925) bekannte Schriftsteller, der den bayerischen Alltag der vorletzten Jahrhundertwende wie kein zweiter zu beschreiben verstanden hatte. Und dass man sich beim Geschichtsverein für den Landkreis Deggendorf ganz in diesem Sinne schon seit jeher lieber auf die „einfache und wahre“ Arbeit denn aufs Superlativieren verlegt hat, auch das ist eine nicht minder bekannte Tatsache – und trotzdem musste der 1. Vorsitzende Dr. Ernst Schütz heuer ein weiteres Mal mit dieser selbstgesetzten Tradition brechen, als er die Jahreshauptversammlung 2018 zusammen mit dem gastgebenden Hausherrn, Bürgermeister Albin Dietrich, eröffnete.
Rekordverdächtig war dabei schon die Anwesenheit der deutlich über 100 Mitglieder im überfüllten Niederalteicher Bürgerhaus, unter ihnen Vertreter des Landkreises, der Kommunen des Landkreises sowie Geschichtsbegeisterte aus verschiedenen Altersgruppen, welche wieder einmal unter Beweis stellten, dass der Deggendorfer Verein zu den lebendigsten Geschichtsvereinen in ganz Bayern zählt, was auch der eigens angereiste 1. Vorsitzende des Gesamtvereins deutscher Geschichts- und Altertumsvereine, Prof. Dr. Manfred Treml, mit sichtlicher Genugtuung zum Ausdruck brachte. Die Anzahl der Vereinsmitglieder könne sich, so Schütz, dank stetiger Neueintritte seit Jahren stabil halten, obwohl der Verein mittlerweile, 39 Jahre nach seiner Gründung, immer deutlicher den Verlust seiner Gründergeneration zu spüren bekomme. Parallel zu dieser erfreulichen und nachhaltigen Entwicklung verfüge der Verein seit jeher über eine nicht minder stabile Vorstandschaft, wie sich an den beiden ersten Ehrungen des Abends ablesen ließ: Jürgen Fröbus konnte für 20 Jahre treue Dienste als Schatzmeister gedankt werden, während Kreisarchäologe a.D. Dr. Karl Schmotz für seine über 30jährige, stets verlässliche Tätigkeit als Geschäftsführer geehrt wurde, deren beachtlicher Arbeitsaufwand in der Rückschau noch einmal deutlich hervorstach. Da sich Herr Dr. Schmotz jedoch bereits seit einigen Jahren in seinem mehr als verdienten (Un-)Ruhestand befindet, wurde der Anlass genutzt, um die Geschäftsführung ab diesem Jahr auf den Kreisheimatpfleger und 3. Vereinsvorsitzenden Florian Jung zu übertragen, um den reibungslosen Geschäftsablauf auch in Zukunft gewährleisten zu können. Nach der Bestätigung der bisherigen Vorstandschaft durch eine satzungsgemäße Neuwahl (1. Vorsitzender Dr. Ernst Schütz, 2. Vorsitzender Johannes Molitor, 3. Vorsitzender Florian Jung, Schriftführer Erich Kandler, Schatzmeister Jürgen Fröbus) wurde Prof. Dr. Lutz-Dieter Behrendt erneut in den Vorstand kooptiert. Erstmalig hinzu kooptiert wurde Herr Christian Knödl, Seminarlehrer am Comenius-Gymnasium, womit sich die Vorstandschaft bei aller personellen Kontinuität weiterhin verjüngt.
Nicht minder beeindruckend zeigte sich die Jahresbilanz der durchgeführten Projekte, unter ihnen die bayernweit einzigartige Reihe „Geschichte am Vormittag“ mit Prof. Lutz-Dieter Behrendt sowie die noch junge Reihe „Wallfahrten im Landkreis Deggendorf“ mit Florian Jung, die „Künzinger Vorträge zur Archäologie“ sowie eine Anzahl weiterer Vorträge und Exkursionen. Zeitgleich zur Auslieferung des 39. Bandes der „Deggendorfer Geschichtsblätter“ wurde die Gründung der „Beibände“ beschlossen, in deren Rahmen künftig nicht nur gesammelte Einzelbeiträge, sondern auch Monographien zur Regional- und Heimatgeschichte für die Mitglieder und die interessierte Öffentlichkeit ausgeliefert werden sollen. Darüber hinaus ist die komplette Digitalisierung der „Deggendorfer Geschichtsblätter“ ab Band 1 (1981) abgeschlossen, ja sogar einige Periodika des mit P. Wilhelm Fink 1965 abgestorbenen „Heimatvereins Deggendorf und Umgebung“ sind auf der Vereinshomepage mittlerweile frei abrufbar: Als einer der ganz wenigen Historischen Vereine in der BRD hat der Deggendorfer Geschichtsverein damit die Früchte seiner heimatgeschichtlichen Forschung vollumfänglich online zugänglich gemacht, in der Hoffnung, dass sich die neue Transparenz zugunsten des gemeinsamen Zieles einer verstärkten Rezeption und Vernetzung auswirken möge, nachdem vergleichbare Herangehensweisen wie beispielsweise im Rahmen von ICARUS (International Centre for Archival Reasearch), an welchem sich etwa das Archiv des Bistums unter der Führung von Vereinsmitglied Dr. Herbert Wurster beteiligt, das damit verbundene Potential längst belegt haben.
Von ebenfalls bester Vernetzung der Vereinsarbeit zeugten schließlich zwei Projekte, welche quasi eine Vermittlerfunktion zwischen den (vor allem jüngeren) Vereinsmitgliedern und der Wissenschaft wahrnehmen. Im ersteren Fall handelt es sich um die Teilnahme an einem gemeinschaftlichen Vorhaben des Hauses der Bayerischen Geschichte, des Verbands bayerischer Geschichtsvereine und der bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit zur Erforschung und Darstellung der Abgeordneten des ersten bayerischen Landtages anno 1819. Unter Mitarbeit des Robert-Koch-Gymnasiums und des Comenius-Gymnasiums sollen die politischen Leistungen der beiden niederbayerischen Mitglieder der Kammer der Abgeordneten Johann Nepomuk Freiherr von Pelkhoven (1763–1830) und Benedikt Ritter von Poschinger (1785–1856) im kommenden Frühjahr anlässlich des 200. Jahrestags der Eröffnung des ersten Landtags der Neuzeit in München präsentiert werden. Das zweite Leuchtturmprojekt bildet die im vergangenen Jahr in Natternberg gegründete archäologische Sektion des Vereins. Als bayern- bzw. bundesweit erste Sektion ihrer Art, welche auf einer koordinierten Zusammenarbeit von heimischen Sondengängern und der Kreisarchäologie unter dem Dach des Vereins aufbaut, konnte sie bereits im ersten Jahr ihres Bestehens bedeutende Bodendenkmäler entdecken und retten, so Kreisarchäologe Stefan Hanöffner. Mit einem selbstgedrehten Film von der Rettungsgrabung bei Gneiding, wo eine über 4000 Jahre alten Bestattung der schnurkeramischen Kultur in einer eilig angesetzten Notgrabung freigelegt werden konnte, führten die Mitglieder der Sektion erkennbar vor Augen, welche große Schätze damit vor der Vernichtung bewahrt werden – unter ihnen ein in ganz Europa bislang einzigartiges Silexmesser mit intaktem Hirschhorngriff. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis auch andere Landkreise diesem Beispiel folgen.
Den unumstrittenen Höhepunkt des Abends bildete indes die Auszeichnung des langjährigen 2. Vorsitzenden des Geschichtsvereins, Johannes Molitor, mit der Aventinus-Medaille, welche seit dem Jahr 1968 durch den Verband bayerischer Geschichtsvereine an wenige ausgewählte Persönlichkeiten verliehen wird, die sich um die historische Forschung und Volksbildung in Bayern verdient gemacht haben. In seiner Laudatio würdigte Treml als Verbandsvorsitzender vor allem Molitors beinahe 40-jähriges Engagement als Schriftleiter der „Deggendorfer Geschichtsblätter“, welche mit mittlerweile weit über 10.000 Seiten zur wissenschaftlich betriebenen Heimatgeschichte zu den angesehensten und weithin genutzten Periodika der bayerischen landesgeschichtlichen Forschung zählten. Wie Treml selbst ein Schüler Karl Bosls, habe sich Molitor als „magister doctus“ durch all die Jahrzehnte seines Schaffens der Bosl’schen Maxime bedient, die Heimatgeschichte nicht isoliert und als Selbstzweck zu betreiben, sondern sie stets auch in einen gesamtdeutschen wie europäischen Kontext zu setzen. Gerade anhand von Molitors Hauptforschungsgebiet, der Geschichte der Abtei Niederaltaich, könne dies in besonderer Weise beobachtet werden, aber auch in seinen Beiträgen zum Hl. Gunther, zu den Altwegen sowie zu verschiedenen orts- und gemeindegeschichtlichen Untersuchungen, deren zeitliche Spanne vom Mittelalter bis in die Zeitgeschichte hinein reichten. Dass sich Molitor daneben als Mitglied des Vokalensembles „Amaryllis“ und als aktiver Tierschützer für die Allgemeinheit einbringe, zeige darüber hinaus, wie sehr sich in seiner Person „Kulturleistung und Naturerleben“ auf eindrucksvolle Weise miteinander verbinden. Der auf diese Weise Geehrte erwiderte die hohe Auszeichnung mit einem ausführlichen Vortrag über das Leben in der Klosterhofmark Niederaltaich während des frühen 18. Jahrhunderts. Aufbauend auf seinen zahlreichen Forschungen der vergangenen Jahrzehnte sowie einer einzigartigen Quellenlage stellte Molitor mit der ihm eigenen darstellerischen Kompetenz eine Welt dar, die den Anwesenden zwar räumlich bestens vertraut war, aber doch unter gänzlich anderen Vorzeichen funktionierte als heute – in der es sich „unterm Krummstab“ aber auch „gut leben“ ließ, wenn auch vor dem Hintergrund unterschiedlicher Erwartungshaltungen.
Tief beeindruckt folgten die Mitglieder des Geschichtsvereins Molitors Einladung zum Büffet in den „Klosterhof“, wo sie mit dem neuen Medaillenträger seinen 75. Geburtstag feierten und den Abend erst spät, zu mitternächtlicher Stunde ausklingen ließen. (Fotos: Norbert Neuhofer, Welchenberg)