Als der Herzog noch vom Natternberg aus regierte: JHV 2017 vor historischer Kulisse

Mit seinen gerade einmal 21 Lenzen hatte sich der 1333 verstorbene Herzog von Niederbayern zwar noch keinen Ruf von Weltrang zulegen können, vergleichbar etwa seinem Vetter Ludwig, der sich unter dem Beinamen „der Bayer“ von 1328 bis 1347 als Kaiser in die Annalen des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation einschrieb. Anders als dieser zählt „Heinrich XV. der Natternberger“ aber immerhin zu den gerade einmal zwei Herrschern aus der über 700jährigen Regierungsgeschichte des Hauses Wittelsbach (welches Bayern bis 1918 erhalten blieb), der nach einem ihn prägenden Ort benannt wurde: Neben ihm gab es nur noch Ludwig den Römer (1328−1365). Natternberg und die Ewige Stadt in einem Atemzug – das hat dann doch was! Grund genug also für den „Geschichtsverein für den Landkreis Deggendorf“, den glücklosen Herzog zum Hauptgegenstand seiner diesjährigen Jahreshauptversammlung zu machen, welche, passend zum Thema, beim Burgwirt in Natternberg abgehalten wurde.

Dass sich der Verein für dieses Kapitel unserer engeren Heimatgeschichte interessiert, mag zwar nicht weiter überraschen. Dass man dies aber auch tun kann, und noch dazu auf akademischem Niveau, dazu gehört dann doch etwas mehr als nur der gute Wille. Seit dem auch als Historiker produktiven Abt Benedikt Braunmüller von Metten, der zuletzt in den 1880er Jahren über diesen Regenten Nachforschungen angestellt hatte, ist die historische Forschung zum genannten Thema nicht so recht vorangekommen. Was es also braucht, ist ein Mann vom Fach, der sich in den Quellentexten des 14. Jahrhunderts zu Hause fühlt und tiefer gräbt als Andere vor ihm, der sich zudem in der Lage sieht, die Dinge so darzulegen, dass sie auch verständlich werden. Es war Dr. Tobias Appl, Bezirksheimatpfleger der Oberpfalz, der sich dieser Aufgabe stellte und als Gastreferent des Abends fungierte. Der gelernte Historiker von der Universität Regensburg, dessen derzeit laufendes Habilitationsprojekt zur bayerischen Ostpolitik zur Zeit des Teilherzogtums Niederbayern (1255−1340) tief in die niederbayerische Herrschaftspraxis und Bündnispolitik jener Tage vordringt, lieferte einen fundierten Überblick über die politischen Voraussetzungen, die damals zur Kür des Natternbergs als Sitz jenes „Natternbergers“ geführt hatten, der im Zentrum des Vortrags stand. Er beleuchtete die recht kurze Zeit des Teilherzogtums Niederbayern-Deggendorf, die mit Heinrichs Namen aufs Engste verbunden ist, sowie die Rolle seiner Ehe mit der Habsburgerin Anna, welche Niederbayern schon seinerzeit enger an Österreich anzubinden schien als an das aufstrebende München – ein Schelm, wer dabei an das Gutachten des Zukunftsrats von 2011 dachte! Mit reichlich Applaus bedacht, nahm Appl den Dank des 1. Vorsitzenden Dr. Ernst Schütz für seinen kompetenten und aufschlussreichen Vortrag entgegen. Um diesen auch all jenen zugänglich zu machen, die ihn an jenem Abend versäumt haben, soll er zusätzlich in der kommenden Nummer der Deggendorfer Geschichtsblätter abgedruckt werden.

Einen nicht weniger wichtigen Bezug zu Natternberg bildete neben den üblichen geschäftlichen Angelegenheiten einer jeden Jahreshauptversammlung das zweite Vorhaben des Abends, nämlich die Gründung einer Archäologischen Sektion des Vereins unter der Betreuung von Kreisarchäologe Stefan Hanöffner. War es doch der Natternberg, der durch seine archäologische Erforschung Ende der 1970er Jahre den damaligen Landrat und Geschichtsvereinsvorsitzenden Dr. Georg Karl zur Schaffung der allerersten Kreisarchäologenstelle Bayerns im Landkreis Deggendorf angeregt hatte. Anschaulich und prägnant zugleich erläuterte Hanöffner die Ziele des Vorhabens, von welchem man sich insbesondere die Erhaltung und Zuordnung von vorzeitlichen Funden erhoffe, die ansonsten im Zuge einer rasant zunehmenden Bodenerosion sang- und klanglos aus der (Vor-)Geschichte unserer engeren Heimat getilgt würden. In Anlehnung an die ursprüngliche Aufgabe von „Geschichts- und Altertumsvereinen“, als welche sich die ersten historischen Vereine Bayerns noch selbstbewusst bezeichnet hatten, könne damit ganz pragmatisch auf ein Tätigkeitsfeld zurückgegriffen werden, das die ehrenamtliche Betätigung in der Archäologie sowohl aufwerte als auch kanalisiere, zum gemeinsamen Besten von Archäologie und Heimatforschung.

Wie sehr letztere dem Geschichtsverein am Herzen liegt, bewies schließlich der Jahresbericht des Vorstands, der neben den regelmäßig angebotenen und gut besuchten Vorträgen auf mehrere Sonderprojekte des abgelaufenen Kalenderjahrs verweisen konnte, die auch die Jugendarbeit und die Heimatpflege nicht zu kurz hatten kommen lassen. Trotz eines deutlich spürbaren Generationenumbruchs in den Reihen der Mitglieder halte sich deren Anzahl dank stetig nachrückender Neuzugänge erfreulich stabil, so dass der bald 40 Lenze junge Verein auch auf das kommende Jahr mit Zuversicht blicken kann.

Als der Herzog noch vom Natternberg aus regierte:  JHV 2017 vor historischer Kulisse
Als der Herzog noch vom Natternberg aus regierte:  JHV 2017 vor historischer Kulisse
Als der Herzog noch vom Natternberg aus regierte:  JHV 2017 vor historischer Kulisse
Als der Herzog noch vom Natternberg aus regierte:  JHV 2017 vor historischer Kulisse
Als der Herzog noch vom Natternberg aus regierte:  JHV 2017 vor historischer Kulisse