Zeitzeugenprojekt "70 Jahre danach" erreicht 127 Schüler aus sieben Schulen

Prall gefüllt war der Große Sitzungssaal des Alten Rathauses in Deggendorf, als
am 19. Februar 2016 Oberbürgermeister Dr. Christian Moser und der Vereinsvorsitzende Dr. Ernst Schütz gemeinsam das neue "Lesebuch zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Deggendorf" der Öffentlichkeit vorstellten. Im Rahmen einer Lesung aus Teilen des Buches durch drei am Projekt beteiligte Schülerinnen konnten sich alle Anwesenden ein Bild davon machen, was hier im Rahmen des vom Anne Frank Zentrum Berlin ausgehenden Projekts "70 Jahre danach - Generationen im Dialog" geleistet worden war, das sich Stadt und Verein gemeinsam auf die Fahne geschrieben hatten.

Wie war es dazu gekommen? Im Sommer 2014 hatte sich die Stadt Deggendorf mit Unterstützung des Vereins bei der bundesweiten Ausschreibung des Anne Frank Zentrums beworben. Ziel derselben war es, Städte mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern dabei zu unterstützen, Jung und Alt über die lokale Geschichte und die gemachten Lebenserfahrungen miteinander ins Gespräch zu bringen. Anlass für das Projekt war der 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945. Acht Städte in sechs Bundesländern wurden für das Projekt ausgewählt: Brühl, Cuxhafen, Georgsmarienhütte, Merseburg, Mühlhausen, Kyritz/Wusterhausen sowie eben auch Deggendorf als einzige Stadt in Süddeutschland. Die Schirmherrschaft über das Deggendorfer Projekt übernahm Oberbürgermeister Dr. Christian Moser, die Leitung das Stadtmuseum Deggendorf mit Birgitta Petschek-Sommer, von der auch die Initiative für die Bewerbung ausgegangen war. Das Angebot des Anne Frank Zentrums umfasste die Fortbildung der beteiligten Jugendlichen zum Thema Zeitzeugeninterview in Workshops vor Ort und ein Coaching für die Koordinatoren bei sechs zweitägigen Treffen in Berlin, die neben der Vertiefung unterschiedlicher Themenschwerpunkte auch einen intensiven Erfahrungsaustausch unter den beteiligten Städten ermöglichte. Das Projekt und seine Umsetzung waren grundsätzlich ergebnisoffen.

In Deggendorf sollte es mithilfe der örtlichen Schulen umgesetzt werden. Insgesamt 127 Schüler der Mittelschule Theodor Heuss, der Realschule Maria Ward, der Wirtschaftsschule, der Aloys-Fischer-Schule sowie des Robert-Koch-Gymnasiums, des Comenius-Gymnasiums und des St.-Michael-Gymnasiums Metten führten in den folgenden Wochen und Monaten Interviews mit knapp 60 Zeitzeugen, die sich nach einem Aufruf in der Presse gemeldet hatten. Die Schulen hatten sich dabei jeweils für eine Gesprächsthematik entschieden, die aufgrund der Vorgespräche abzusehen war. Themen waren beispielsweise Kriegserlebnisse, Flucht und Vertreibung, Alltag und Schule. Neun Interviews wurden außerdem von Mitarbeitern des Stadtarchivs und Stadtmuseum getätigt, um keine Zeitzeugen wieder nach Hause schicken zu müssen – die Anzahl der Meldungen war einfach zu hoch. Die Gespräche wurden zumeist per Videokamera aufgezeichnet, aufgearbeitet und inszeniert und in am 26. April 2015 in einer abschließenden Ausstellung, der so genannten "Geschichtsmeile" im Stadtmuseum präsentiert. Die Schülerinnen und Schüler der 8. bis 12. Jahrgangsstufe im Alter von 13 bis 18 Jahren kamen so mit der älteren Generation in einen Dialog.

Die überaus große Resonanz und Würdigung der am 26. April 2015 eröffneten Ausstellung führte schließlich zu dem Entschluss, deren Ergebnisse auch in Buchform herauszugeben. Nachdem die Finanzierung des Vorhabens gesichert war, machten sich Prof. Dr. Lutz-Dieter Behrendt und Dr. Ernst Schütz an die redaktionelle Bearbeitung der Flut von Transkripten und pädagogischen Begleittexte, die von den teilnehmenden Schüler- und Lehrergruppen geliefert wurden. Ergänzt um eine fotografische Dokumentation der Geschichtsmeile sowie des Gesamtprojekts und einige Aufnahmen aus dem Stadtarchiv sowie aus etlichen Privatarchiven der Zeitzeugen, entstand daraus termingerecht das vorliegende, nunmehr 200 Seiten starke "Lesebuch". Als Dokumentation der Kriegs- und Nachkriegsjahre wird es von ebenso bleibendem Wert sein wie als Dokument eines generationenübergreifenden Dialogs, der Jung und Alt gleichermaßen in "ihre" Geschichte hineinstellt. Eine Zweitauflage ist aufgrund der großen Nachfrage bereits in Planung.

Fotos: Rüdiger Schernikau

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